Mini Überraschung

Ich vermisse Dich

Eine Kurzgeschichte von Moritz Eberhard für immi.de

Eine lebhafte Nacht lag über der grellen Stadt und die gelben und weißen Lichtpunkte auf den Straßen und Plätzen strahlten zu einem hochgelegenen Apartment hinauf wie ein ferner Sternenhimmel.
Hier auf einem wohl gefliesten Boden lagen zwischen klebrigen Flecken und zerbrochenen Stielen edler Champagnergläser die Überbleibsel einer ausgelassenen Feier umher. Und an der verglasten Panoramawand, durch welches das erstklassige Apartment seinen Blick über die Stadt schweifen ließ, da lehnte eine Frau und sah in die helle Nacht hinaus.

Stets war es ihr Traum gewesen hier zu stehen und doch wirkten nun die Lichter grell und das Apartment zu groß für die wenigen Dinge und Möbel, die es beherbergte. Alles hier kam mit zu viel Platz daher, als dass man gebühren von ihm Gebrauch hätte machen können und vor allem das Kingsize-Bett wirkte ihr kalt und leer und sie mied es.

All die Freude und das Glück, welche den Abend erhellt hatten, verblassten schon und Zweifel trübten nun die Nacht. Sie drehte ein klebriges Sektglas in den Händen und sah auf die Luftballons und das Konfetti zu ihren Füßen hinab. Glückwünsche hallten in ihren Ohren wie ferne Echos und heitere Gesichter spiegelten sich im Fenster um sie herum. Alle waren sie so glücklich und aufgeregt, sie endlich hier zu empfangen und auch ihr Traum war doch nun endlich in Erfüllung gegangen, doch nun, da sie umgeben war von so vielen, die sie achteten und sogleich mochten, da war es ausgerechnet die Einsamkeit, die in jener Nacht ihren kalten Griff um sie schloss.

Rasch griff sie nach ihrem eingesteckten Smartphone, das sich nun endlich wieder anschalten ließ. Da war eine neue Nachricht.

Da begann sie mit nassen Augen rasch zu tippen, doch auf ihren Lippen erschein ein vertrautes Lächeln.

Sie las die Nachricht wieder und wieder und bald war sie mit einem Lächeln auf den Lippen eingeschlafen.
Am nächsten Tag, als dieser bereits alt und nur noch zaghaft hell war, saß sie bereits in einem Büro, das beinahe ebenso prächtig war wie das Apartment, in dem sie lebte. Sie sah aus dem Fenster. Die Sonne weit hinter den vielen flachen Dächern der hohen Gebäude war bereits von rötlich orangener Farbe und sie stellte sich vor, wie eben jene Sonne wenige Stunden zuvor dem Ort und dem Menschen, die sie so schmerzlich vermisste, dasselbe Licht und dieselbe Wärme gespendet hatte.

»So weit, so gut! Jetzt fehlt nur noch Ihre Unterschrift und Sie sind offiziell Teil unseres Teams. Auf eine gute Zusammenarbeit!«
Sie sah auf den Arbeitsvertrag hinab. Die Zahl, die dort stand war lang. So lang, dass sie zwei Anläufe brauchte, um sie richtig zu lesen. Sie griff nach einem edlen Kugelschreiber auf dem Schreibtisch und setzte gerade zum Unterschreiben an, als plötzlich ihr Smartphone in der Tasche vibrierte. Ihr Herz machte einen Hüpfer und sogleich richtete sich all ihr Denken in weite Ferne, dorthin, wo diese Nachricht geschrieben worden war.

»Würden Sie mich wohl kurz entschuldigen? Ich bin sofort wieder da.« Und sie verließ rasch den Raum und zog das Handy hervor.

 

Doch hiernach schrieb sie nicht mehr und tausende Kilometer entfernt leuchtete das andere Smartphone nicht mehr auf.
Einsam kehrte er da an den Flughafen zurück, wo er sie abgesetzt und ihr Lebewohl gesagt hatte. Und dort saß er, einfach nur um an der Stelle zu sein, wo sie sich zuletzt gesehen hatten. Flugzeug um Flugzeug kam und ging und er fragte sich, wie viele wohl, die sich hier am Flughafen verabschiedeten, sein Leid teilten.

Wieder und wieder las er ihre letzte Nachricht, bis er nichts mehr außer dem beleuchteten Bildschirm sah und mit jedem mal schmerzte sie mehr.
Als er dann endlich das Handy sinken ließ, war er in solcher Sehnsucht, dass er glaubte, sie am Schalter stehen zu sehen. Dort wo sie sich verabschiedet hatten. Sie hielt den Griff ihres schweren Koffers in den Händen. Doch in jenem Moment hatte sie traurig ausgesehen, bitterlich drein geblickt. Doch dort stand sie nun und strahlte ihn voll Glückseligkeit an. Und erst als sie vor Heiterkeit lachte, da bemerkte er, dass sie kein Hirngespinst war.

Da sprang er auf, sie ließ Koffer und Tasche fallen und sie rannten aufeinander zu, bis sie sich endlich wieder in den Armen lagen, wo sie hingehörten.

Und unter Heiterkeit schluchzend sagte sie:
»Ich hab’s geschmissen. Ich bleibe hier bei dir.«

 
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